Während meiner Zeit in Japan durfte ich dem interssantem Phänomen des Omiyages beiwohnen. Omiyage kann grob mit Souvenir übersetzt werden, umfasst aber eigentlich noch viel mehr. Wie so mit vielen anderen Traditionen auch, weiß zwar jeder, was zu tun ist, aber selten, woher der Ursprung kommt. Innerhalb eines Kurses konnte ich einige Quellen dazu finden und würde sie gerne in diesem Beitrag teilen.
Die Herkunftsgeschichte
Im alten Japan sind die Menschen eher selten für freizeitliche Aktivitäten gereist, da solch ein Unterfangen gefährlich sein kann und mit vielen Herausforderungen gespickt ist wie zum Beispiel der Beschaffung von Nahrung und Unterkunft, da andere Dörfer nur selten fremden Menschen vertrauten. Ab Beginn des 18. Jahrhunderts (Mitte der Edo Era), wurde das Reisen in Gruppen zu Tempeln und Schreinen durch den Ausbau von Straßen zunehmend verbreiteter. Nichtsdestotrotz war solch eine Reise mit hohen Kosten und Gefahren verbunden, sodass nicht jedes Mitglied einer religiösen Gruppe oder Kommune daran teilnehmen konnte. Daher war es häufig so, dass stattdessen ein Respräsentant geschickt wurde. Durch die (finanzielle) Beteiligung (senbetsu) anderer Mitglieder wurde es dem Repräsentanten ermöglicht, die Pilgerung durchzuführen. Er würde bei Ankunft für jedes Mitglied beten und als Beweis seines Besuches einen Talisman (omamori) mit nach Hause bringen (Ikkai, 1988; Park, 2000, p. 84; Pigliasco, 2005, p. 183). Durch die Entwicklung des Landes und der Implementierung von Eisenbahnstrecken wurden solche Reisen mit der Zeit zunehmend komfortabler und weniger gefährlich, sodass ein senbetsu nicht mehr nötig war, allerdings blieb die Tradition, etwas von der Reise mit nach Hause zu bringen, erhalten.
Implikationen zur modernen Zeit
Heutzutage wird der Brauch des Omiyages als sozialer Kleber genutzt (Schlagwort kollektive Kultur (Synodinos, 2001, p. 240)). Omiyage wird für Freunde und Familie aber auch für Arbeitskollegen mitgebracht (Pigliasco, 2005, p. 183) welche als erweiterte Familienmitglieder angesehen werden (Synodinos, 2001, p. 240). Damit die, die zu Hause verblieben an der Erfahrung teilnehmen können (Pigliasco, 2005, p. 183) aber auch um sich für die Abwesenheit bei der Arbeit zu entschuldigen (Pigliasco, 2005, p. 188) wird entsprechend das Omiyage verteilt. Es gilt auch als Statussymbol und Beweis, dass die Person unterwegs war (Witkowski & Yamamoto, 1991). Ein angemessenes Omiyage ist meist eine lokale Spezialität (meibutsu) aus dem besuchtem Gebiet.
Im Rahmen des besuchten Kurses, haben wir daher den Marketing Aspekt dieses Verhaltens untersucht. In Japan ist es üblich, dass jede Region eine lokale Spezialität hat – perfekt also für den einheimischen Reisenden. Besonders an Bahnhöfen kann beobachtet werden, dass es Stände mit lokalen Spezialitäten gibt um auch last-minute Omiyage Bedarfe abzudecken. Da die meisten japanischen Wohnungen relativ kllein sind, sind Lebensmittel als Omiyage Souvenir besonders beliebt. Als Beispiele können aufgezählt werden Die Tokyo Banane, Äpel Aomori oder auch die lila Kartoffel aus Okinawa. Interessanterweise diversifiziert beispielsweise auch Kitkat seine Geschmacksrichtung in ganz Japan, sodass es auch Sorten gibt, die nur in bestimmten Regionen regulär zum Verkauf angeboten werden und somit auch einen ähnlich einem meibutsu sind. Aber nicht nur Kitkat, sondern auch andere etablierte Marken wie z.B. Coca Cola oder die Biermarke Asahi versuchen Produkte regionsspezifisch zu vermarkten, um den Eindruck von Exklusivität und Einzigartigkeit zu schaffen.
Referenzen
Ikkai, M. (1988). The ‘senbetsu-omiyage’relationship: Traditional reciprocity among Japanese tourists. Anthropological Research on Contemporary Tourism: Student Papers from Berkeley, 61–67.
Park, M. K. (2000). Social and cultural factors influencing tourists’ souvenir-purchasing behavior: A comparative study on Japanese “Omiyage” and Korean “Sunmul.” Journal of Travel & Tourism Marketing, 9(1–2), 81–91.
Pigliasco, G. C. (2005). Lost in translation: From omiyage to souvenir: Beyond aesthetics of the Japanese office ladies’ gaze in Hawaii. Journal of Material Culture, 10(2), 177–196.
Synodinos, N. E. (2001). Understanding Japanese consumers: Some important underlying factors. Japanese Psychological Research, 43(4), 235–248. https://doi.org/10.1111/1468-5884.00181
Witkowski, T. H., & Yamamoto, Y. (1991). Omiyage gift purchasing by Japanese travelers in the US. ACR North American Advances. Accesssible under: https://www.acrwebsite.org/volumes/7150/volumes/v18/NA%20-%2018, last access: 09.05.2022